Stadtzentrum - schwierige Zeiten für die Besitzer hochwertiger Geschäftsimmobilien

12 May, 2020

Der innerstädtische Einzelhandel befand sich schon vor dem Corona-Lockdown nicht gerade in einem ruhigen Fahrwasser. Das Internet wurde in den letzten Jahren nicht mehr nur visionär, sondern real zum entscheidenden Entwicklungsmotor im Wettbewerb des Handels. Größenstrukturen eines Unternehmens wie Amazon scheinen beinahe in unendliche Hemissphären zu entwachsen. Eine mit den Strukturen des Internethandels mögliche Kapitalakkumulation stellt heute vielfach traditionelle Handelsformen im innerstädtischen Detailhandel in eine Schattenposition. Für die Eigentümer hochwertiger innerstädtischer Immobilien wird das zu einer immer größer werdenden Herausforderung. Kreative Lösungen sind bei der Nutzungskonzeptionierung gefordert, die die Postulate der Wirtschaftlichkeit und auch der längerfristigen Funktion entscheidend berücksichtigen.

Vielleicht erhält in jüngster Zeit die Vita einer Nutzung am Hamburger Jungfernstieg in diesem Zusammenhang einen exemplarischen Charakter. Das Streit`s Filmtheater war schon fast eine legendäre kulturelle Institution in einer exponierten noblen Lage im Zentrum der Stadt. Eines Tages war das Theater trotzdem verschwunden. In Zeiten des zügigen medialen Wandels war diese relativ komplexe Nutzung für die Eigentümerfamilie der renommierten Immobilie wahrscheinlich auch nicht mehr von besonderer wirtschaftlicher Attraktivität. In der Folge wurde eine scheinbar pragmatischere, zeitgemäßere, Hauptnutzung am Standort etabliert - gekommen war der schwedische Filialist Clas Ohlson. Die vorgeblich optimale Lösung eines zeitgemäßen kleinformatigen Kaufhauses. Zur Einweihung war sogar Ihre königliche Hoheit Sylvia von Schweden erschienen. Trotz allen royalen Glanzes verabschiedete sich der nordische Filalist nach einem ungefähr dreijährigen Gastspiel und der Eröffnung dreier weiterer Niederlassungen wieder aus dem Hamburger Markt. Aktuell hat sich im Objekt an der Nobelmeile der Drogeriediscounter Rossmann platziert. Der Discounter präsentiert sich hier im Streit´s Haus in der ehemaligen Clas Ohlson Mietung für seine sonstigen Verhältnisse relativ opulent. Seine vorhergehende Anmietung im nachbarschaftlichen Deutschlandhaus musste er räumen, weil dort ein Neubau des Architekten Teherani realisiert wird. Wurde durch die Neuplatzierung ein positiv zu wertender Quantensprung am vornehmen Jungfernstieg verwirklicht - quo vadis?

Die begrenzten Mieterträge, die mit einem Drogeriediscounter generiert werden können, dürften eigentlich in der Szene bekannt sein. Vielleicht wird die Geschäftspolitik des Mieters an diesem hervorgehobenen Standort zu gewissen Zugeständnissen bereit gewesen sein. Der Drogist hat im Wesentlichen die konfigurierte Fläche des Vormieters übernommen, die hohen Umbaukosten von einer Kinofläche zur Einzelhandelsfläche wird er aber mit seinen Mietzahlungen mit hoher Wahrscheinlichkeit kaum rechtfertigen. Zumindest hat der Vermieter aber für die nächsten Jahre bei seinen Nutzungserträgen eine "sichere Bank" etabliert.

Übrigens erlebt das klassische Filmtheater in einer neu erbauten exklusiveren Version in der Hafencity mit der Astor Film Lounge eine Renaissance. Ähnlichkeiten zum ehemaligen Streit`s Filmtheater sind hierbei nicht ausgeschlossen.

Die Corona Zeiten forcieren Marktentwicklungen. Eine der wenigen wirklichen wirtschaftlichen Profiteure, wenn überhaupt, ist der Gigant Amazon. In diesem Zusammenhang ist absehbar, für die zahlreichen anspruchsvollen innerstädtischen Handels- und Geschäftsimmobilien werden ihre Eigentümer häufiger zukunftsträchtige innovative Nutzungen gestalten müssen, damit die oftmals gestalterisch anspruchsvollen Bauten überhaupt erhalten werden können. Zudem sollten sich die Nutzungen auch möglichst längerfristig am Markt behaupten können.

Michael Witt   

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