Die Hafencity ist ein europaweit bekanntes Urbanisierungsprojekt. Als ein wesentlicher Initiator gilt der verstorbene ehemalige 1. Bürgermeister Henning Voscherau. Ein Platz vor der Hafencity Universität (HCU) erinnert an diese Persönlichkeit der Hamburger Lokalpolitik. Aufgrund seiner beruflichen Vita als Notar war er auch im Umgang mit der hanseatischen Immobilienwirtschaft gut vertraut.
Bis auf das im Bau befindliche Megaprojekt von Uniball-Rodamco-Westfield im südlichen Überseequartier hat sich die Hafencity westlich der HCU mittlerweile zu einem beinahe vollendeten Teil der Stadt entwickelt. Im Paket mit dem Weltkulturerbe Speicherstadt präsentiert sich hier zudem ein touristisches Zugpferd.
Östlich der HCU wird der Streifzug durch das Quartier gegenwärtig noch etwas wilder. Bereits bezogene Wohnblocks, Baustellen und noch unbebaute Grundstücke bestimmen das urbane Erlebnis. Aber auch hier im ehemaligen Baakenhafen verändert sich fast täglich die Welt. Zumindest im Wochentakt wird auf zahlreichen Baustellen ein neues Stockwerk geschalt. Edeka und Aldi sind scheinbar über Nacht wie Pilze aus dem Boden geschossen. Sie belegen jetzt Mietungen in der noch werdenden Baakenallee. In der Nachbarschaft hat sich als volumenreicherer Nutzer ein etwas exklusiverer Fitnessclub etabliert. Die schon länger vorhandenen Spiel- und Sportbereiche am aufgeschütteten "Mount Baakenhafen" gehören wohl mit zu den attraktivsten der Stadt. Am östlichen Ende des ehemaligen Hafenbeckens wird dann das weit fortgeschrittene Bauvorhaben "The Edge" zukünftig die Randbebauung prägen. Die besonders in nächtlicher Dunkelheit schillernde Kulisse des futuristisch wirkenden Schnellbahnknotens Elbbrücken beschreibt den Schlussstein des Quartiers. Halt - das ist natürlich nicht ganz richtig. Unmittelbar auf der östlichen Eingangsseite, des von Gerkan Marg geplanten Bahnhofs, laufen seit über einem Jahr die Gründungsarbeiten für den Elbtower. In der Tiefe kann man gegenwärtig die hart arbeitenden Eisenflechter beim verknoten der Bewehrung beobachten. Auch auf Instagram wird der 245 m Skyscraper fleißig vermarktet. Immerhin soll hier als Counterpart zur Elbphilharmonie das dritthöchste Haus Deutschlands errichtet werden.
Kaum ein Tourist und nur wenige Hamburger laufen von der Bahnstation weiter über die Freihafenelbbrücke Richtung Veddel. Westlich der südlichen Kopfsseite der Brücke sind die ehemaligen Lagerschuppen mittlerweile platt gewalzt. Damit der geplante Stadtteil gegenüber einem zukünftigen Ansteigen des Meeresspiegels und extremeren Sturmfluten gewappnet ist, wird auch hier das Niveau des Terrains durch Aufschüttungen angehoben. Entstehen soll in den nächsten Jahren der Stadtteil Grasbrook. Südöstlich davon, jenseits der Bahngleise, ragt ein Quartier mit zahlreichen Blocks aus tiefroten Backsteinen aus der Stadtlandschaft. Der Stadtteil auf der Veddel wurde Ende der 20er Jahre nach Plänen des Oberbaudirektors Fritz Schumacher errichtet. Eine Passage durch den Stadtteil wird zu einem Gang durch eine andere Welt. Die letzte Bankfiliale, von der Hamburger Sparkasse, hat schon vor sehr langer Zeit am Ort die Segel gestrichen. Der einzige Supermarkt für die immerhin offiziell fast 5000 Bewohner, ein Penny Discounter, war zeitweise wegen eines Brandschadens geschlossen. Im Provisorium haben hier vorübergehend weitgehend teure Spätis und Kioske die Nahversorgung im eindeutig überwiegend von Migranten geprägten Quartier übernommen. Die Veddel war ursprünglich eine Insel, das Quartier erscheint auch heute noch weitgehend abgeschottet, eher trist und monoton. Hoffentlich haben die Planer des Grasbrooks sich auch Gedanken über eine Aufwertung und verbesserte urbane Integration gemacht.
Aber es gibt hier auch Lichtblicke. Nur hundert Meter vom Bahnhof Veddel entfernt findet sich in den ehemaligen Auswanderer Hallen der HAPAG ein sehenswertes Museumsensemble. Wer dann noch etwas abenteuerlustiger sein sollte, der läuft von hier aus einen Kilometer weiter auf den mit ein paar Windrädern bestückten Energieberg. Ein ehemals gigantischer Müllberg, der zwischenzeitlich einer scheinbar weitgehend gelungenen Renaturierung unterzogen wurde. Jüngst wurde auf dem Berg eine Art von Skywalk errichtet. Mehrere hundert Meter lang. Schöne Aussicht auf die kontrastreiche Stadt. Leider verbaut für Kinder im Vorschulalter eine intransparente Brüstungshöhe die Aussicht. Vielleicht gibt es hier noch eine ideenreiche Abhilfe? Derartige "Planungsfehler" bei Bürobauten können Mietprognosen jedenfalls ins Wanken bringen. Zu Füßen des Bergs liegt das mächtige Werksgelände von Aurubis. Das Kerngeschäft ist die Kupferaffination. Ein wirtschaftliches Schwergewicht mit hohem Energiebedarf. Wie sieht hier in diesen stürmischen Zeiten die Zukunft aus?
mow